Gruppe 1
1.Frankreich
2.Schweiz
3.Albanien
4.Rumänien
Die französische Mannschaft hat ihre Fallhöhe die letzten Jahre komplett ausgeschöpft; minderjährige Prostituierte, die jetzt eigene Dessouskollektionen herausbringen; die Entourage des besten Stürmers, die den zweitbesten Mittelfeldspieler mit einem Sexvideo erpressen; Rücktritte, Fehden, Ausschlüsse, Mittelfinger am laufenden Band. Wahrscheinlich wird man ihnen als Mannschaftsquartier eine Raumstation bauen, um sie so von den Medien zu schützen.
Dass sie bequem am Spazierstock durch die Gruppe schlendern werden, liegt nicht an ihnen, sondern an den Gegnern; die sagenhaft dröge Schweiz, über die man nur deswegen so viel lesen wird, weil sie zu über hundert Prozent aus Bundesligaspielern besteht, und die mit 4 Punkten und 1:1 Toren der mittelmäßigste Tabellenzweite der EM werden wird. Das kleine Albanien, das wohl nur mit dieser einen Taktik Erfolg haben wird: Ball raus, Stürmer fällt um, Freistoß, Bumm. Klingt wie der Refrain eines Ballermannhit, wird mit Sicherheit auch so aussehen. Und Rumänien, das seit Jahren schon spielt wie Tofuschnitzel: sieht aus wie Fußball, schmeckt aber nach Pappe.
Gruppe 2
1.England
2.Wales
3.Russland
4.Slowakei
Ich habe schon einige EM-Vorschauen geschrieben, und jedesmal kam England auf dem Papier besser weg, als die schnöde Realität es später zugelassen hat. Englands konkurrenzfähiger Kader ist wie die Lieder am 23. Dezember: man singt darüber, das morgen der Weihnachtsmann kommt, freut sich wie bolle und trinkt noch einen, und am nächsten Abend stellt man fest: den gibt’s ja gar nicht. Aber schön gesungen hat man. Fast so schön wie die Iren.
Das lustige Wales hat ein Prolltatoo auf der Flagge, das passt hervorragend zu ihrem Verteidigungsstil, der irgendwo zwischen Wirtshausschlägerei und Klammersackpudern firmiert. Russland ist die Wundertüte der Gruppe, wenn allerdings Fabio Capello auf einer Wundertüte draufsteht, sind sehr oft nur tote Mücken drin. Die Slowakei darf auf großer Bühne dreimal tapfer sein, Frankreichs Friseure freuen sich schon sehr auf Marek Hamsik.
Gruppe 3
1.Deutschland
2.Polen
3.Nordirland
4.Ukraine
Ja gut, äh, also ich sag mal. Seit 2006 ist das schlimmste an Spielen mit deutscher Beteiligung das Kommentatoren-, Moderatoren- und Ventilatorengebrabbel drumherum. Oli Kahn wird seine Lernfortschritte in puncto deutscher Sprache präsentieren dürfen, und Mehmet Scholl wird aufpassen, dass er nichts allzu wahres über Mario Gomez sagt. Holger Stanislawski spielt den Laptroptrainer, seit 100 Prozent Meyer fragt man sich ja ohnehin, warum das ein Ausbildungsberuf ist.
Fußballerisch ist folgendes zu sagen: Özil wie weiland Netzer in die Innenverteidigung zu ziehen, wird der Geniestreich sein, der Nordirland und die Ukraine knackt. Das reicht für den Gruppensieg.
Polen spielt wie ein Schwarzwaldhaus: Solide mit ausgezeichneter Aussicht. Aber sie singen halt nicht in den Straßen, es ist mehr Bruckner als Mozart, es rummst bisweilen, es fließt nicht so elegant. Manchmal, wenn ich Polen sehe, denke ich, die Mannschaft braucht keinen Trainer, sie braucht einen Tanzlehrer.
Wer Spaß an Darmstadt hatte, wird Nordirland lieben. Da dachte der Gegner auch allzuoft: theoretisch kann man diesen oder jenen Paß spielen, aber die können das nicht, da muss ich nicht hin. Und dann konnten sie es nicht. Außerdem: Eckbälle. Eckbälle, Eckbälle, Eckbälle. Nordirlands Trainingseinheiten stell ich mir so öde vor wie den Schlagermove.
Ich weiß gar nicht, ob die Ukraine in der Qualifikation auch nur einen erfolgreichen Torabschluß innerhalb des Sechzehners hatte. Mir kommts so vor, als bestünde der Plan darin, Yarmolenko und Konoplyanka aus 20 Metern draufhalten zu lassen und dann mal sehen, was passiert. Wie Eishockey, hinten checken sie halt weg, wo sie rankommen (mittelmäßig viel).
Gruppe 4
1.Spanien
2.Türkei
3.Kroatien
4.Tschechien
Die spanische Fußballkultur hat sich etwas festgefummelt. Für die Gruppe reichts, aber in naher Vergangenheit sah die Spielanlage aus wie ein Stuhlkreis einer Selbsthilfegruppe, wo in der Vorstellungsrunde jeder jedem den Ball zuwerfen darf: jetzt bist Du mal dran. Und wenn dann einer dazwischenhaut, sind alle getriggert.
Die Türkei, noch so ne Wundertüte. Der reine Borderline-Fußball. Kann kraft Begeisterung jeden schlagen, ziemlich oft aber auch sich selbst. In der Gruppe kommt ihnen zugute, dass sie weiß Gott keine Favoriten sind. Wenn sie das erste Spiel gegen Kroatien gewinnen, wird’s lustig.
Seit Ivica Olic nicht mehr ist, kann ich mit den Kroaten nichts anfangen. Mario Mandzukic, dieser dummdreiste, Mensch gewordene Vorschlaghammer, der eitle Perisic, dem bei jedem Übersteiger seine Selbstherrlichkeit aus den Hüften wackelt; das können auch Modric und Rakitic nicht retten, die bei ihren Clubs jeweils für das Realitätsprinzip stehen zwischen lauter Zauberkünstlern; quasi die Manager der Revue sind, die andere dann aufführen.
Tschechien ist auch dabei.
Gruppe 5
1.Belgien
2.Schweden
3.Italien
4.Irland
Belgien ist ein Saab: Scheißesolide, aber glamourlos. Wäre ihr Spielstil eine Sprache, es gäbe keine Relativsätze, Adjektive nur an Sonntagen. Sie leben mehr von den Fehlern der anderen als von eigenen Verdiensten, was absolut okay ist für einen Viertelfinalisten.
Es ist bei Strafe verboten, über Schweden zu schreiben, ohne Ibrahimovic zu nennen. Der bekannteste nach Schwede nach Gustav Adolf hat mal über seinen norwegischen Kollegen Carew gesagt: Was der mit dem Ball kann, kann ich mit einer Orange. Einer der schönsten Disse der Fußballgeschichte.
Italien, da lege ich mich fest, wird bester Gruppendritter, gewinnt dann alle Spiele in der Nachspielzeit und feiert einen furiosen Finalsieg gegen wenauchimmer. Bloß, um die Franzosen zu ärgern, für die Italien das Holland Deutschlands ist.
Irland reist mit dem schönsten Männerchor der Welt an. Das einzige Land, bei dessen Spiele die Handyaufnahmen aus der Kurve mehr taugen als die Spielzusammenschnitte hinterher.
Gruppe 6
1.Portugal
2.Österreich
3.Island
4.Ungarn
Portugal wird glänzen, wie so oft, wegen des Gels in der Haare seines Mittelfelds, aber auch wegen der wundervollen Heimtrikots. Die Auswärtstrikots in türkisgrün hingegen sehen aus wie hingeschimmelt, Licht und Schatten sozusagen, das ist doch eine wunderbare Metapher für den portugiesischen Fußball: Im Normalfall kleidsam und elegant, in der Ausnahme ein Autounfall. Kann man nicht wegsehen,
Österreich, die Hoppelhasen in Ernst-Happel-Hosen! Hat in der Quali teils zauberschönen Fußball gespielt. Kann aber auch beißenkratzenkämpfen und haben einen Trainer, der ein Wissender ist. Der Spielt, Hand in der Hose, nicht Taschenbillard, der spielt Säckelschach, so schlau ist der.
Island hat all meinen Respekt, das sage ich vorsorglich, aus rein politischen Gründen, denn wenn das so weiter geht mit dem Rechtsruck in Europa, ist das bald das einzige Land, in dem es vorstellbar ist zu leben. Aus dem entgegengesetzten Grund würde ich gerne sehr viel über Ungarn schreiben wollen, aber mein Anwalt hat gesagt, das ginge so nicht. Null Punkte!
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