Es gibt lange Zeit kein Lachen in der westeuropäischen Malerei, bis weit ins 20. Jahrhundert hinein nicht. Die Kunst ist bis dahin eine sehr ernsthafte Angelegenheit. Kaum einmal, dass Cupido maliziös lächelnd über die Schulter schielt oder die Mona Lisa dösig zum Betrachter hinübergrient. Es existieren einige seltene Ausnahmen, häufig sind es Faune, Hofnarren oder Liebesgötter, die sich immerhin zu einem herzhaften Glucksen hinreißen lassen.

Warum das Lachen in der westlichen Kunst kaum stattfindet, könnte mehrere Gründe haben: Zum einen ist es sehr schwer abzubilden, wie man bei der Betrachtung der Bamberger Domfassade sehen kann. Dort lacht sowohl die Gruppe der Erlösten als auch die Gruppe der Verdammten, aber beide tragen fratzen- bzw. karrikaturhafte Mienen zur Schau; ähnlich wie rennende Pferde konnte das Lachen erst mit dem Beginn der Fotografie bildlich entschlüsselt und reproduziert werden. Erschwerend hinzu kam, dass das Lachen im Christentum als schlecht galt: In der Bibel wird kaum gelacht, das frühe Mittelalter zählt das Lachen sogar zu den Lastern, entsprechend gilt in Wolfram von Eschenbachs Parzival der Verzicht auf das Lachen als königliche Tugend.

Aber es gibt auch eine andere Welt, sie tut sich in der niederländischen Wirtshausmalerei ab dem 15. Jahrhundert auf, der eine Art perspektivisches Lachen zugrundeliegt. In diesen Bildern geht es zu wie, nun ja, auf einem Volksfest. Da wird sich geprügelt und mit dem Messer gestochen, Karten gespielt und über Bänke gefallen, und überall stehen Bierkrüge und Weingläser und Karaffen voller Alkohol. Der Anthropologe Donald E. Brown hat in seiner Liste der menschlichen Universalien als wesentliche Bestandteile der Kultur Musik, Konfliktlösungsstrategien, Sprache, Spiel und „stimmungs- oder bewusstseinsverändernde Techniken und Substanzen“ aufgeführt – ein Portfolio, das sich auch in diesen Bildern findet, ganz besonders bei Frans Hals. Dessen liebevoller Blick auf seine Figuren, er kommt mir ohne Alkohol ganz unmöglich vor.

(Aus: Trinken gehen.)