Man kann sich dieser Tage eine ungefähre Vorstellung darüber verschaffen, was passieren würde, wenn sich tatsächlich ein Bundesliga-Fußballspieler outen würde.

Es beginnt mit einem Interview im Fluter. Adrian Bechthold spricht mit einem „Mann, den es eigentlich nicht geben dürfte“, nämlich einem schwulen undesligastar. Inhaltlich steht nichts drin, was man nicht auch vermuten würde. Neue Einblicke liefert es nicht, anderes zum Thema (Marcus Urban oder Das Schweigen der Männer) gibt da mehr her; aber es ist eben auch nur ein kurzes Interview, kein Buch.

Misstrauisch macht, dass Adrian Bechthold bisher nicht als ausgewiesener Kenner der Materie bekannt ist; misstrauisch macht auch, wie er seinen Begleittext mit Hinterzimmer-Thrill anreichert. Misstrauisch macht auch, dass niemand die Identität des Fußballspielers, der ja doch ein Star sein soll, bestätigen kann. Misstrauisch macht außerdem, dass das Interview beim Fluter erscheint, denn die breite Wirkung war vorauszusehen; deswegen hätten sich, könnte man beweisen, dass es diesen Spieler genau so gibt, mit Sicherheit andere Zeitungen und Magazine dafür interessiert. Hätte man sowas in der Hand, natürlich würde man damit zur FAZ gehen oder zur Süddeutschen, des Geldes und der Reputation wegen; vielleicht auch zu den 11Freunden.

Es gibt also Indizien dafür, dass das Interview gefaked ist. Wie könnte man damit umgehen, das zu überprüfen? Man könnte zum Beispiel dem Autor hinterherrecherchieren: Wie kommt der an diesen Stoff? Gibts Anzeichen dafür, dass er jemanden kennt, vielleicht einen Schulfreund oder so, der ihm soweit vertraut, um das Gespräch und seine Veröffentlichung mit ihm durchzuziehen? Was hat Bechtold bisher so gemacht, war das alles sauber? Es heißt, ein kleiner Kreis von Leuten in der Bundeszentrale für politische Bildung sei eingeweiht, kann das einer – meinetwegen auch ohne zitiert zu werden – bestätigen?

Philip Köster hat sich zu einem anderen Schritt entschlossen; zu einer Textanalyse. Nun teilt Köster das ungute Gefühl, irgendetwas an dem Ding könne nicht ganz stimmen, und er hat Gründe dafür. Einige die ich teile und oben bereits aufgeschrieben habe. Andere, die ich beim besten Willen nicht verstehe.

Köster schreibt, dass der Protagonist sich in Widersprüche verwickelt, dass er manche seiner Aussagen selbst konterkariere; es ist ein Zeichen minderguter Interviewführung, auf diese Widersprüche nicht einzugehen, das stimmt. Aber nicht mehr. Normalerweise geht eine Redaktion dann mit dem Bügeleisen drüber und redigiert alles so lange glatt, bis keine Falte mehr bleibt: ist das ein Kriterium für Glaubwürdigkeit? Das müsste Köster, Chefredakteur eines Magazins, das sich dankenswerterweise immer wieder mir der Flach- und Abgenudeltheit gängiger Fußballinterviews lustig macht, besser wissen. Genauso wie der Vorwurf, dass das ganze Interview nur aus Klischees bestehe. Da fällt mir glatt das Wurstbrot in die Tastatur: Ein Sportlerinterview, das nur aus Klischees besteht! Ich könnte nur überraschter sein, wenn durch mein Küchenfenster Elvis aus einem Ufo grüßen würde.

Köster skandalisiert hier Dinge, die gang und gäbe sind in der Fußballberichterstattung. Und das ist mit Sicherheit etwas, mit dem sich ein Profi, der bisher einigermaßen in Ruhe gelassen wurde, konfrontiert sehen wird, wenn er den Schritt geht sich zu outen. Selbst von Seiten eines aufgeklärten, antiboulevardesken Magazins.

Vielen Dank für die Lektion.

Disclaimer: Im Fluter-Archiv finden sich auch zwei Texte von mir.