Ich lese gerade „Krieg der Bilder – Bilder des Krieges„, eine Abhandlung, die mediale Konstruktionen und die Bilderflut nach 9/11 behandelt; unter anderem die deutschen Reaktionen auf den Anschlag, von der bedingungslosen Solidarität bis hin zum sprichtwörtlich gewordenen Struckschen ‚Heute sind wir alle Amerikaner‘. Seeßlen und Metz zeigen sehr schön, wie es vor den Anschlägen noch dringend darauf ankam, einen neuen Nationalstolz aufzubauen, plötzlich aber alle Amerikaner wurden, „wenn auch mit einem verteufelt deutschen Hintersinn“.

Jeder hat eine Erklärung dafür, dass wir jetzt alle Amerikaner sind, was über jede Art von Solidarität und Mitleid grotesk hinausgeht, und mehr noch, an beidem vorbei. Offensichtlich identifiziert man sich mit dem Leiden der Amerikaner, das sofort nationalisiert wird, um sich nicht nur mit dem einstigen Sieger zu identifizieren, sondern noch einmal das Gute gegen das Böse in einen aus dem Elend geheiligten Krieg zu schicken. Nicht die furchtbarste Katastrophe und auch nicht der blutigste Anschlag in Bombay würde einen Deutschen auf die Idee bringen, sich zu einem Inder zu erklären.

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr finde ich das die Synthese einer nationalen Identität: einerseits jene, die darauf bestehen, die Guten zu sein; und andererseits die anderen, die mit der Siegermentalität. Nur in den düstersten Farben auszumalen, wie grauenhaft einig sich beide wären, wenn Deutschland schön spielen und mal wieder ein Turnier gewinnen würde.