England – Italien 2:4 n.E.

Meine Güte. Wenn das gestern mehr so Coffee and Cigarettes war, war das am Anfang eher Crank. Die spielten ja beide, als würde es für einen ruhigen Querpass Stockschläge geben; Italien von Anfang an ziemlich wild at Hart, war aber wohl ein bisschen beleidigt, dass der Wunderschuß von de Rossi nach fünf Minuten nur an den Innenpfosten gebatscht ist. Danach erhöhte England den Laufaufwand von Ironman auf Voyager 1 und muss in der Folge das Tor machen, aber Buffon, der bisher beste Torwart des Turniers, hat einen Warp-Antrieb in seinen Armen.

Erstaunlich übrigens, dass Gerrard selbst dann zu flanken versteht, wenn er zentral vor dem Sechzehner steht. Flanken, ja, ich wunderte mich auch, aber das Spiel gabs offenbar nur in 90er-Ausstattung: Italien mit langen Bällen auf die Flügel und gechippten Bällen in die Spitze, England mit zwei nicht ganz fertiggeschnitzten Exemplaren der Gattung Mensch in der Innenverteidigung.

Und die haben einiges zu tun bekommen nach dem anfänglichen Aufbrausen der englischen Offensive, auch wenn Italien sich dringend darauf versteifte, aus Entfernungen draufzuhalten, für die andere das Auto nehmen. Die zwei Mal, als Balotelli aussichtsreich angespielt wurde, schaltete der immer auf Slow Mo, so dass Terry ihm noch hintergestiegen kam.

Half in Halbzeit eins noch die Verzerrung im Raum-Zeit-Kontinuum, das sich immer dann auftat, wenn Balotelli an den Ball kam, war es nach der Pause schieres Glück. Was die an Chancen hatten, hat früher auf eine Saison verteilt Inzaghi für ein dutzend Tore gereicht. So aber bliebs immerhin spannend, wobei ich mich nach 60 Minuten immer häufiger zu fragen begann, warum die Iren plötzlich weiße Trikots trugen und wie Trappatoni es geschafft hat, derart zuzunehmen. Was die Präzision im Angriff anbelangt, ich muss sagen, da trifft Buffon beim Absingen der Nationalhymne häufiger einen Ton als ein Pass einen Mann findet.

Dass man sich bei den Wetterverhältnissen eine Verlängerung getrost klemmen kann, sah man eigentlich schon ab Minute 70: Da ist auf Rentnerpauschalreisen nach Helgoland bisweilen mehr los als auf dem Feld. Ich freue mich schon wie wahnsinnig auf die WM 2022 in Qatar, wenn dann das Spiel ab Minute 30 geschwindigkeitstechnisch mit Golf konkurrieren wird. Jedes Spiel ein Mont Ventoux. Ich muss mir bis dahin noch eine sadistische Störung zulegen, um das dann angemessen genießen zu können. Ich meine, diese Verlängerung hätte man auch verfilmen können, mit Matthäus in der Hauptrolle.

Jetzt also Italien, der interessantere Gegner. Vielleicht hören ja jetzt die falschen Chelsea-Analogien auf, das wär schonmal was.