Diesen Samstag könnte Klopp zum ersten Mal seit Wochen nicht mehr die Frage hören, ob er denn jetzt endlich Meister sei. Und wir könnten Klopp zum ersten Mal nach der allerersten Frage des Fieldinterviews nicht nenervt nach links oder rechts oben linsen sehen, ungeduldig ob dieser Zeitverschwendung. Klar, die Frage ist ja auch so berechenbar wie überflüssig und hat ungefähr die intellektuelle Fallhöhe von Herr Tutorial.

Wen man mal von der Version absieht, dass Redaktionen, Field-Reporter und alle sonstigen Verantwortlichen fürs Fußballfernsehen schlicht strunzendoof sind und seit Jahren nicht merken, dass sie mit solchen Fragen Squash mit Gummibällen spielen: Was mag bloß die Motivation dahinter sein?

Was ja gerne gemacht wird, ist auszudeuten, wie der Interviewpartner auf solche Fragen ausweicht. Wird Hoeneß bloß lachen oder lospoltern? Schaut Heynckes nur irritiert oder doch überfordert? Wie oft kippt Labbadia der Kopf nach rechts weg? Die Versuchsanordnung ist soll die eines Verhörs mit einem Ungeständigen sein: Man weiß, er wird nicht sagen, was man hören will, sucht aber nach allen möglichen Anzeichen, die Gefühle andeuten: Wie sieht es hinter der Wortfassade aus? Was will er verstecken, kann es aber nicht?

Da feiert sich das Fernsehen als Investigativmaschine: entscheidend ist nicht, was man hört, wichtig ist, was man sieht. Das Bild ist wahrer als das Wort, eine Illusion, in der das Fernsehen seine eigene Notwendigkeit mit aller Gewalt zur Sprache bringen will.

Es vergisst dabei, wie leicht es zu manipulieren ist. Man kann das ganz gut an den letzten Wutausbrüchen von Uli Hoeneß sehen, insbesondere gegen die Medien: die waren natürlich wohlkalkuliert und hatten nichts spontanes; es war eine kalkulierte Emotionalität, was dann funktioniert, wenn der Ausbruch authentisch wirkt, also: gut gespielt. Damit nimmt Hoeneß man den Druck von der Mannschaft, weil Sendezeit mit viel Hoeneß gefüllt werden wird und dadurch kaum mehr Raum bleibt, die Lahmsche Lahmheit der letzten Wochen zu analysieren. Das Fernsehen macht, auch wenn es von sich selbst anderes behauptet, alle Beteiligten zu Schauspielern.

Oder vielmehr vergisst das Fernsehen diesen Umstand nicht, sondern nimmt es billigend in Kauf: schließlich lebt es nicht von den Gedanken, die es anstößt, und auch nicht von den Inhalten, die es transportiert, nein, es lebt von der Nähe zu seinem Thema. Das Fernsehen inszeniert sich selbst als größter, bester und erfolgreichster Fan. Das ist der Sinn der Field-Interviews: zu zeigen, dass man in Bereiche kommt, die Normalsterblichen vorenthalten bleiben. Anders gesagt, inszeniert sich das Fernsehen hier als privilegiert; von diesem Privileg gibt es dann den Eindruck von Nähe an den Zuschauer weiter.

Also: Nähe ist der Gradmesser für den Erfolg eines Interviews, nicht Inhalt. Das geht sogar soweit, dass Inhalt im Zweifel eher stört: und das ist der Grund, warum es immer noch Field Interviews mit dämlichen Fragen gibt.

Damit einmal im Jahr jemand sagt: „We have a grandios Saison gespielt.“