Ich hab keine Lust zu arbeiten. Deswegen (und weil hier bisher erschreckend wenig persönliches steht) renn ich mal diesem Stöckchen hinterher, trotz der schwierigen Einstiegsfrage.

1) Erzähl mal – welcher Verein und warum?

Lautern. Wobei das keine Liebe ist, eher eine tiefe Freundschaft. Das kam so: Bei uns auf dem Dorf gabs nur drei Möglichkeiten, Bayern, Sechzig oder Stuttgart. Bayern und Stuttgart waren die Stadien inakzeptabel, außerdem waren deren Fans bräsig und selbstherrlich. 60 fand und finde ich immer nett, wie man einen freundlichen Barmann nett findet: schön, dass es Dich gibt, danke, wiedersehn.

Da mein Onkel Lauterer war, hab ichs immer mit denen gehalten. Ich war nie dort im Stadion, hatte kaum Kontakte zu den Fans, hab mit ihm häufiger in Kneipen geschaut (unter anderem das todtraurige Spiel damals gegen Leverkusen); deswegen hat das keine Wurzeln geschlagen in meiner Biographie. Lautern-Spiele seh ich mit einer Mischung aus Wohlwollen und Begeisterung, wenns gut läuft, und Resignation und Trauer, wenns schlecht läuft: nie Euphorie oder Wut. Das passiert mir höchstens bei Spielen der französischen Nationalmannschaft.

In Berlin hab ich eine Zeit mit Union geliebäugelt, davon aber wieder Abstand genommen. Erstens bekommen die immer mindestens vier Buden, wenn ich im Stadion bin, und zweitens gefällt mir das Sakrale und auch ein bisschen Sektiererische im Stadion zwar ganz gut, aber ich bekomme mich damit überhaupt nicht identifiziert. Am schlimmsten wars nach den Artikeln über Zingler und das Wachregiment, als Christian Arbeit da vor dem Fürth-Spiel auf dem Rasen stand und sagte, man man sich von anderswo Geborenen nichts erklären lassen müsse. Und das Stadion hat gejubelt. Da war ich ziemlich schnell raus aus der Nummer. Hertha kann man ernsthaft nur mögen, wenn man es aufgrund psychischer Defekte muss (schwere Kindheit, Liaison mit Michael Preetz), und den Rest schau ich manchmal sogar, aber da fehlt die Fallhöhe. Zu Babelsberg würde ich gerne mal hin, bezweifle aber, das mich meine Abneigung gegen Rituale verlassen wird.

2) Was ist deine verhassteste Schweinephrase?

Ich hasse Phrasen überhaupt. Phrasen sind das Salz im Auge des Betrachters.

3) Was war dein bisher unangenehmster Feindkontakt?

Mehrere. Als Zuschauer: den Blocksturm der BFCler in der ersten DFB-Pokalphase, knapp gefolgt von einem Stadionbesuch in Sinsheim zur Frauen-WM, Frankreich – Nigeria, mit all dieser aufgesetzten Laola-Begeisterung. Das war auf sehr unterschiedliche Arten unangenehm und bedrohlich.

Als Schiedsrichter habe ich mal das Spitzenspiel der obersten Berliner Freizeitliga gepfiffen, Erster gegen Zweiter zwei Spieltage vor Schluß. Da gings um richtig was, die waren alle abgefüllt mit Adrenalin. Dieses Gefühl, ganz allein auf dem Platz zu stehen und um Dich rum 22 schwitzende, einigermaßen aggressive Männer, denen Du mit einem Pfiff den Tag versauen kannst, das war recht einschüchternd. Nachdem ich in der zweiten Minute einen ungerechtfertigten Elfmeter gegeben habe, dachte ich, die stampfen mich ein. Interessanterweise haben beide Mannschaften mich danach sofort als Autorität akzeptiert. Das hätte auch ganz anders laufen können, die beiden Mannschaften waren glücklicherweise sehr zivilisiert: hätte ich das Spiel weiter unten gepfiffen, es hätte wohl nach dem Ende kein Bier am Tresen gegeben, sondern Morphine im Krankenhausbett. Seither Respekt für alle Schiedsrichter, vor allem in den unteren Ligen.

Als Spieler sind wir mal nach einem Turnier irgendwo hinter Grünkraut von einer Gruppe Nazis überfallen worden. An dem Abend hat sich bei mir dauerhaft ne Niere ausgewechselt. Aber das erzähl ich ein andermal.

4) Lustigste Fußballanekdote?

Ich hab mal während eines Hallenturniers Heiko Butscher getunnelt!

Naja, gut.

5) Was ist für dich die Faszination am Fußball?

Im Stadion zu sein und zu merken: Keiner weiß, wies ausgeht. Aber alle freuen sich drauf.