Viel ist schon über Bayern-Fans geschrieben worden, ihre Arroganz, ihre Selbstverliebtheit, ihren Egozentrismus. Auch seine Reflexhaftigkeit ist legendär – alle Kritik, ob berechtigt oder nicht, wurde und wird am Tresen gern mit der tiefenpsychologischen Analyse abgetan, der Gegenüber sei zerfressen von Neid. Und obendrein erfolglos! Da weiß man sofort, warum die Bayern der Club der Milionarios sind: nicht, weil man da als Spieler so gut verdient. Sondern weil sich Fans des Vereins, selbst wenn sie insolvente Frührentner sind, die sich aus Mülltonnen ernähren, immer noch so anhören wie ein Fox-News Beitrag über die Vermögenssteuer. Nicht jeder Bayern-Fan ist so, ich weiß, aber wenn einer so ist, ist er meistens Bayern-Fan.

Über diese Arroganz und Selbstverliebtheit (die auch eine Selbstverleugnung ist) ist viel geschrieben worden, wie auch über seinen Antagonisten: den Bayern-Hasser.

Jeder kennt sie, diese Leute, denen das Bayern-Wappen ein Höllenzeichen ist. Die ein Interview von Uli Hoeneß schlimmer finden als einen Rohrbruch in der Wohnung über ihnen. Die selbst dann noch gegen München wären, wenn sie gegen eine Mannschaft von Reichsparteitagsrednern 1938 spielen würde.

Hass ist eine Reaktion, wie es bei Fromm heißt, „aufgrund eines Angriffs auf mein Leben, meine Sicherheit, auf meine Ideale oder auf eine andere Person, die ich liebe oder mit der ich identifiziert bin.“ Man hasst die Bayern, weil sie (zum Beispiel) Jan Schlaudraff kaufen, ihn auf der Bank festketten und damit das Schöne im Spiel zerstören, das Schöne im Fußball insgesamt.

Ich habe viele Menschen kennengelernt, die den FCB geringer schätzen als einen Hundehaufen in einer Kotzlache auf den Eingangstreppen ihres Wohnhauses. Die sie übersehen haben, als sie aus dem Haus gingen. Um die Zeitung zu holen. Und reingetreten sind. Barfuß. Mit einer offenen Stelle an… nanana, wir wollen mal nicht übertreiben.

Aber hassen sie auch anständig? Ich jedenfalls kenne niemanden, der Bayern München aufrichtig und gerecht hasst. Verachtung trifft den Sachverhalt sehr viel besser, man schreit seine Gefühle nicht mehr heraus, man verzieht nur noch das Gesicht. Ich sitze oft bei Championsleague-Spielen und sehe um mich herum Leute, die leicht zurückgelehnt, die Arme auf der Brust verschränkt, missbilligend lächelnd auf den Bildschirm starren, wenn die rote Bestie spielt. Macht Robben ein Tor, ächzen sie aus und machen eine wegwerfende Handbewegung. Haut Müller den Ball übers Stadiondach, ziehen sie die Augenbrauen hoch, lehnen sich nach vorne und trinken einen Schluck. Oder andersrum, das ist völlig austauschbar.

Das Prinzip FC Bayern, das früher so leidenschaftlich gehasst wurde, die Dominanz, die Dekadenz, die aristokratische Selbstgewissheit – all das ruft heute nur eine müde Resignation hervor, ein uninspiriertes Schulterzucken. Und am Ende steht genau jene Verachtung, die die andere Seite auch empfindet.

Der Bayern-Hasser als Phänotyp ist dem Bayern-Fan inzwischen sehr ähnlich in seinem Zynismus. Ich persönlich, als Kind ein Bayern-Hasser aus Prinzip, glaube inzwischen, dass es das Prinzip FCB nicht gibt, sondern dass der FCB das Prinzip Moderner Fußball nur am effektivsten umsetzt.

Bayern lynchen war einmal. Heute heißt es bleiern dünkeln.