SUI – FRA 2:5
Von frederic am 20 Jun 2014 | Cachaça
Die Aufstellung von Giroud hat sich ja direkt bezahlt gemacht; das kann nicht jeder, den Gegenspieler neun Minuten vor dem Abschluss ausschalten.
Es tut mir leid, das war geschmacklos. Fünfzehn Minuten lief das schweizer Spiel wie ein Uhrwerk, dann steckte Giroud einfach mal einen Stift rein, um zu kucken, ob es dann immer noch funktioniert: tat es nicht. Ein Standard als Dosenöffner, und Benzema, der zu biblischer Selbstlosigkeit heranwächst. Wahrscheinlich hat er schon zwölf Kinder gezeugt.
Frankreich hat eine Abgewichstheit, die man so von ihnen nicht sehr oft gesehen hat. Da wäre der Strafstoß, aber sprechender fand ich die Szene in der 29., als Shaqiri aufs Tor schießt und Lloris den Ball mit der Fingerspitze rauswischt; danach aber nicht jubelt, weil das ja keiner gesehen hat, und damit den Eckstoß verhindert.
Dass Cabaye dann den einfachsten Ball an die Latte semmelt, das gehört auch dazu. Eleganz geht immer mit Komik, das ist ein Leitsatz aus der französischen Literatur. Das Grandiose ist, dass Frankreich danach nicht in ein Phlegma gefallen ist, sondern weitergearbeitet hat, und weitergespielt (Benzema weiß das auch, als der Ball zurückprallt; das nimmt er gelassen hin, er zweifelt nicht, er weiß, das wird); mag sein, dass die beiden Türsteher bei den Schweizern hinten drin nicht gegen voyous ankommen, gegen Leute, die Idole einer Jugend sind, die über Zäune klettern sind, um doch mitmachen zu dürfen. Das ist das schöne an Frankreich: wannimmer sie erfolgreich sind, dann vor allem durch Kreativität.
(Man darf nicht vergessen, dass Kreativität eine Form der Aufsässigkeit ist. In dem Sinn ist dieses Spiel nicht das Gegenteil, sondern das Gegenstück zur WM 2010. Die Spieler, das sagte man selten, hatten recht, sich damals gegen Domenech zu stellen; schade war, dass der Putsch in der Öffentlichkeit stattfinden musste. Eine Analyse Frankreichs post-Sarkozy könnte oder müsste an diesem Moment ansetzen, es wäre jedenfalls ein lohnendes und schillerndes Momentum.)
(Und dann müsste man noch ein Porträt über Benzema schreiben, der spielt wie Klose in seinen besten Zeiten. Wie lang der Weg bis zu diesem Vergleich war! Aber ich kann mir Benzema inzwischen gut bei Lautern vorstellen, gleichermaßen selbstlos wie torgefährlich. Der schlaue Blick vor dem 0:5, kein Gamechanger, nicht gegen eine gute Verteidigung gemacht, aber mit, wie soll ich sagen, Herzlichkeit und Hirn gespielt – wer hätte das Benzema jemals zugetraut? Und ähnlich wie Klose ist sein signature move bei Großaufnahmen, sich an die Nase zu fassen.)
Dass die Mauer nicht hält, ist natürlich symptomatisch. Ich könnte jetzt einen Sermon darüber schreiben, wofür; aber das war zu schön, um jetzt zu lamentieren. Selbst für einen Franzosen. So viel Disziplin muss sein.
Frankreich ist natürlich keine große Mannschaft; jeden eigenen Einwurf schenken sie her, ihre Konter spielen sie oft nicht sauber zu Ende, sie haben noch nicht gegen eine Mannschaft gespielt, die besser mit dem Ball umgehen kann. Aber Spaß haben sie mir gemacht, das ist, was zählt.
Und die zwei Gegentore zum Schluß, vielleicht waren sie eben dafür da, weiterhin verschätzt zu werden.