Auswärts VI
Von frederic am 18 Jul 2012 | An fremden Brettern
Spiegel Online: FC Barcelona kauft sich einen Knirps
Zak Gilsenan ist der neueste Zugang des FC Barcelona – und der jüngste. Der Neunjährige zieht von Irland nach Spanien, um in der Fußballschule des FCB auf eine große Karriere vorbereitet zu werden. Doch das Vorgehen ist umstritten.
Der Vollständigkeit halber zieh ich hier mal einen Artikel rüber, den ich damals zum Thema bei Fooligan geschrieben habe (diverse Verlinkungen im Originalartikel):
93 Millionen Euro hat Real Madrid für Cristiano Ronaldo bezahlt: damit ist er zum teuersten Spieler aller Zeiten geworden. Eine irrsinnig hohe Summe, über die sich wahnwitzig viele Leute aufgeregt haben: so viel sei kein Mensch, schon gar kein Fussballerspieler wert. Das finden übrigens auch die Vereinsbosse, weswegen sie nach neuen Möglichkeiten suchen, wettbewerbsfähig zu bleiben, ohne sich für einen Stürmer gleich zu ruinieren. Eine dieser Möglichkeiten heißt: Kindertransfers. Vor allem aus dem Ausland.
Kindertransfers aus dem Ausland sind eigentlich verboten. In den FIFA-Statuten heißt es dazu:
Ein Spieler darf nur international transferiert werden, wenn er mindestens 18 Jahre alt ist.
Soweit die Theorie. Jetzt die Praxis: Zur Saison 07/08 verpflichtete Manchester United den damals neunjährigen Australier Rhain Davis. Einige Wochen später wollte sich der FC Bayern München den dreizehnjährigen Peruaner Pier Larrauri Corroy kaufen. Zwei Beispiele von dutzenden.
Inzwischen gehören Kindertransfers zum Standardrepertoire der internationalen Clubs. Obwohl sie früher auch dann und wann vorkamen (einer der ersten Kindertransfers fand 1962 statt, als Georg Volkert für 3000 Mark zum 1. FC Nürnberg wechselte), hat sich ein systematisches Netz erst ab Mitte der 90er entwickeln können.
Der Hauptgrund ist die Deregulierung des Fussballmarktes in der Folge des Bosman-Urteils. Da sich die Ablösesummen, Handgelder und Gehälter für begabte Fusballer in schwindelerregende Höhen hochschraubten, galt es, neue Wege zu finden, den Rohstoff „Fussballer“ günstig zu erwerben.
Es gibt vereinfacht gesagt zwei Wege, möglichst risikofrei und ohne größere Verpflichtungen junge Talente zu fähigen Spielern zu machen. „Rohdiamanten zu veredeln“, um im Fussballsprech zu bleiben. Der eine führt über die vereinsinternen Nachwuchszentren. Bewährt sich der Spieler, entwickelt er sich zu einem Messi oder einem Eto’o. Ansonsten wird er aussortiert. Wie sagte Werner Kern, Jugendabteilungsleiter des FCB, anlässlich des Larrauri-Transfers so schön? „Er kommt für ein Jahr. Mal schauen, wie sich das entwickelt.“
Der andere ist ein wenig komplizierter: Vereine wie Arsenal gründen Fussballschulen in Afrika. Begabte Spieler bekommen dort eine Ausbildung, und schaffen sie es, sich akademieintern gegen ihre Mitbewerber zu bewähren, werden sie an Partnervereine in schwächeren Ligen als es beispielsweise die Premier League ist ausgeliehen. Besonders beliebt ist die belgische Jupiler-League, nicht nur auf Grund ihrer mittelmäßigen Spielstärke, sondern vor allem auch, weil es im innereuropäischen Vergleich einfacher ist, die belgische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Mit dem Ergebnis, dass beispielsweise der SK Beveren zeitweise mit zehn Spielern von der Elfenbeinküste in der Startelf auflief. Setzen sich die Spieler auch da durch, kommen sie so gut wie ausgebildet in die Vereine, die sich zumindest beim ersten Vertrag einen Haufen Geld sparen. Inzwischen gibt es einige Scouting-Agenturen von Geschäftsleuten, die sich früher mit Diamanten- und Holzschmuggel beschäftigt haben.
Warum die FIFA Kindertransfers verbietet, lässt sich schwer dokumentieren, denn Misserfolgsgeschichten erzählen sich im Sport nicht besonders gut. Oder nur mit der nötigen Fallhöhe. Deswegen ist der bestdokumentierte Fall auch der eines Spielers, der schon in sehr jungen Jahren ein Star war: Nii Odartey Lamptey. Lamptey war der begabteste Spieler der ghanaischen U17, die bei der WM in Italien 1991 den ersten internationalen Titel einer afrikanischen Mannschaft errang. Pelé nannte ihn den „besten Fussballer der Welt“ und meinte, seinen Nachfolger gesehen zu haben. Im alter von 15 Jahren wurde er in einer Frachtkiste nach Belgien transportiert, um beim RSC Anderlecht den ganz großen Durchbruch zu schaffen. Stattdessen hielt er dem Leistungsdruck nicht stand und tingelte nach einigen persönlichen Tragödien durch die Weltgeschichte, spielte in China, in Saudi-Arabien, bei Greuther Fürth und beendete seine Karriere bei Jomo Cosmos in Südafrika.
Nun war Lamptey 15 Jahre alt, als er wechselte. Inzwischen sind dem Alter nach unten keine Grenzen mehr gesetzt. Die Scouts interessieren sich für Kinder wie Mohammed Madin (6 Jahre) oder Charlie Edwards (3 Jahre). Die Konsequenzen für die jungen Spieler sind unüberschaubar. Sicher ist, dass eine Ausbildung eines Spielers inzwischen deutlich weniger kostet, als einen Topstar einzukaufen. Das haben selbst die Sponsoren erkannt: Nike macht Verträge mit 13jährigen. Was sich wie Wahnsinn anhört, ist im Fussballgeschäft längst (verschwiegene) Realität.
Pier Larrauri Corroy hat es übrigens nicht weiter als zu zwei Probetrainings beim FCB geschafft. Das Heimweh war dann doch zu groß. Einige Zeit später forderte Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FCB, in einem Anfall von moralischer Integrität hemmungsloser Heuchelei ein Ende aller Kindertransfers, weil es sich um eine „skrupellose Praxis“ handle.
Es ist den Kindertransfers schon oft der Kampf angesagt worden, bisher immer ohne Ergebnis. So lange es Ablösesummen von der Kategorie Ronaldo geben wird, wird eine wirksame Bekämpfung der Kindertransfers unwahrscheinlich bleiben. Die Doppelzüngigkeit der Verbände und der Vereine lassen nicht vermuten, dass eine wirksame Bekämpfung überhaupt in ihrem Sinne ist.
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ESPN: Hope Solo tests positive, still eligible
Hope Solo wurde positiv auf Doping getestet, aber was solls, sie erzählt halt auch so schöne Sexgeschichten.
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Harald Martenstein „Dies ist das wahre Geheimnis des Fußballs“
Die Arbeit eines Fußballexperten besteht darin, Ereignisse, die zum Teil mit Zufall zusammenhängen, hinterher als unvermeidliche Folge von Fehlentscheidungen des Trainers darzustellen. (…) Ein Physikexperte kann vorhersagen, bei wie viel Grad das Wasser kocht. Das nenne ich wahres Expertentum. Damit kann man was anfangen. Psychologen und Meteorologen liegen immerhin manchmal richtig, das sind Halbexperten. Theologen, Ökonomen und Fußballexperten wissen über die Zukunft überhaupt nichts.
Martenstein also mit einer Fundamentalkritik am Fußballexperten. Ich bin mir unschlüssig, ob mir das zu viel oder zu wenig ist; fangen wir also anders an. Die Arbeit des Fußballexperten ist es nicht, ein Spiel einzuordnen, das ist ein Missverständnis. Der Fußballexperte ist ein Kind des Fernsehens, und der Fernsehfußball ist viel erklärungsbedürftiger als ein Spiel im Stadion. Die meisten Abseitspositionen oder Elfmeterentscheidungen sind live unstrittig (weil nicht nachvollziehbar), erst wenn man sie per Kameraeinstellung in Frage gestellt hat, wird der Zuschauer zum Richter (nicht selten zum Scharfrichter). Diese Kamerawechsel sind das Mittel des Fernsehens, den Fußball kinematographisch aufzubereiten. Hinter dieser Inszenierung fehlt der Sinn, es bleibt eine gewisse Leere, wenn man selbst und alle anderen gesehen hat, dass Henry den Ball mit der Hand gespielt hat, diese Erkenntnis aber ohne Konsequenz bleibt. Aufgabe des Fernsehexperten ist es, die vielen strittigen, unzusammenhängenden Bilder wieder zusammenzusetzen zu einer großen Moral, aus der man etwas lernen kann, die also wieder Sinn ergibt; der Entwurf in die Zukunft ist da ein probates, wenn auch, anders als Martenstein suggeriert, ziemlich selten angewandtes Mittel. Diese Rezivilisierung der Bilder, dieses Wiedereinbetten in einen größeren Zusammenhang taucht übrigens bei allen Live-Berichterstattungen auf, von 9/11 über Winnenden bis hin zum Fußballspiel; das ist dem Fernsehen systemimmanent. Man müsste also das Fernsehexpertentum in Frage stellen, nicht nur beim Fußball. (Also doch: zu wenig.)
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1. FC Union: 1. FC Union Berlin bleibt Sicherheitsgipfel in Berlin fern
„Die Kürze der Zeit ließ eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorschlag für einen gemeinsamen Kodex der Vereine sowie eine Diskussion über Maßnahmen und Vorschläge zu den Bereichen Prävention, Kontrollsysteme und Sanktionierung leider nicht zu. Wir erachten einen breiten Konsens innerhalb unseres Vereins unter Einbeziehung möglichst vieler Beteiligter, wie z. B. der Fanbeauftragten, Sicherheitsbeauftragten und Gremien sowie der Fan- und Mitgliederabteilung als zwingende Voraussetzung, um Maßnahmen, welche unseren Verein und seine Fans betreffen, auch wirksam umsetzen zu können. Für den 1. FC Union Berlin ist der seit Jahren mit der Fanszene des Vereins geführte Dialog von elementarer Bedeutung und neben Regeln und Sanktionen Basis des friedlichen Ablaufes von Fußballspielen. Ein Kodex, der sich auf das Verhalten der Union-Fans auswirken soll, kann nur mit ihnen gemeinsam erarbeitet und umgesetzt werden“, erklärt Dirk Zingler, Präsident des 1. FC Union Berlin.
Bitte lieben Sie ganz kurz diesen Verein.