Ich mag Pippo Inzaghi. Ein verhängnisvoller Satz. Denn Pippo Inzaghi mag man nicht. Pippo Inzaghi: hasst man. Wie er sich: Anschleicht. Fortstiehlt. Wie ein: Dieb. Empörend. Und fällt: im Strafraum. Theatral…, nein: bösartig. Und die Tore: Abstauber. Allesamt. Ein Tor-Schmarotzer, glattgegelt.

Klammheimliche Freude. Das ist wohl der Ausdruck, der am besten zu eben jenem Gefühl passt, das ich verspüre, wenn Pippo Inzaghi – ja, wie sagt man das bei ihm? Einnetzt? Nein, zu sehr Boris Becker. Versenkt? Nein, zu martialisch, zu Mussolini. Wenn Pippo Inzaghi den Ball seiner Bestimmung zuführt. Denn genau das tut er, das ist er: Schicksal. Gnadenlos deckt er den weiten Abstand zwischen Dendriten und Synapsen der andersfarbig gekleideten Spieler, die Schläfrigkeit der gegnerischen Transmitter auf: und profitiert davon. Gnadenlos nutzt er Zufälle, Gegebenheiten, Umstände: Was bei Gomez Glück und Willen ist, bei Kuranyi Arbeit, bei Henry Können, ist bei Inzaghi System. Er riecht die Situation nicht: er ist sie.

Wie er jubelt danach. Nach dem Tor, das keiner mitbekommen hat. Er jubelt schon, da wird dem Torhüter überhaupt erst bewußt, dass irgendwas passiert sein müsse: verdammt, wird er gleich denken. Weil er sieht, wie Inzaghi die Arme von sich wirft. Und das Gesicht verzieht. Und schreit, und springt, und hüpft. Und in jede Richtung schaut. Weil er gar nicht weiß, wie das gehen soll: jubeln. Nach so vielen Spielen, nach so vielen Toren weiß er es immer noch nicht. Wahrscheinlich hat er noch nie drüber nachgedacht, was das eigentlich ist: Jubeln. Es ist im Grunde ja auch nicht wichtig.

Inzaghi kann nur eines: Tore schießen. Meistens nicht sehr schöne Tore, oder wie man früher bei uns auf dem Platz gesagt hat: Inzaghi wichst sie rein. Immer wieder. Jede Faser will, dass der Ball diese bescheuerte Linie überquert, die das an einem Quergebälk befestigte Netz vom übrigen Spielfeld trennt. Nichts, woran ein normaler Mensch sein Dasein festmacht: für Inzaghi alles. Egal wie.

Man kann Inzaghi nur mögen, wenn man ihn nach dem Spiel gesehen hat: Nach dem Abpfiff. Wenn er für einige Sekunden, vielleicht sogar eine Minute noch nicht begriffen hat: Es ist vorbei. Zurück in die Kabine. Duschen. Heimgehen. Übermorgen Training. Solange, bis einer zu ihm hingeht, um ihn abzuholen aus dieser Welt, die runder ist, als Kolumbus jemals glaubte.

(Der Text ist schon vier Jahre alt; es ist keine Wiederverwertung, sondern eine Wiederfeier. Von Pippo. Zu seinem Karriereende. Was soll man dazu sagen außer: Amen.)