Deutschland – Griechenland 4:2

Okay, das war beeindruckend. Da wehte ein Hauch von Südafrika durchs deutsche Spiel. Die meisten (ich eingeschlossen) hatten ein zähes Geduldsspiel erwartet, aber geboten wurden das komplette Gegenteil. Diese Chuzpe muss man erstmal haben: Wir schießen ohnehin mehr Tore als die Griechen, ziehen wir also die Außenverteidiger bis an ihren Strafraum vor, lassen wir ihnen ruhig ein paar Chancen, dann haben Hummels und Badstuber auch ihren Spaß. Löw hat da eine Mennschaft mit dem Sicherheitsdenken eines Panzerknackers zusammengestellt: Hauptsache, wir kommen durch, was danach ist, sehen wir dann.

Faszinierend, wie viele Löcher sich in so einer 8er-Abwehr auftun können. Wie Kellner rannten die Griechen da hin und her, immer erst dann auf dem Weg, wenn sie gerufen wurden. Was passiert wäre, wenn die Schiedsrichter das Abseitstor in der vierten Minute gegeben hätten, wage ich mir kaum vorzustellen. Es wäre wohl ein Schlachtfest geworden. So kam zur alten Unbekümmertheit auch die alte Abschlussschwäche hinzu, die eigentlich eine Schwäche ist, das erste Tor zu machen. Lustig darüber nachzudenken, wohin Lahms Schuss gegangen wäre, wäre er nicht unmittelbar vor dem Aufprall über diese kleine Unebenheit gehoppelt. Aber bei irgendeinem Schuß muss es eben auch mal gut gehen: und Chancen hatte die Mannschaft ja für vier Spiele. Wahrscheinlich hat man deswegen immer wieder Angela Merkel in die Übertragung geschnitten: als so eine Art kalter Schauer. Damit nicht Zuschauer anfangen vor Begeisterung ohnmächtig zu werden. Angela Merkel, das Riechsalz des deutschen Fernsehens. Kurzum, das war sehr überzeugend, und Fernando Santos saß am Ende derart niedergeschlagen auf der Bank, dass er nicht einmal mehr sauer aussah.

Mich lässt die Stimmung der letzten Tage übrigens verwundert zurück: Man kann also die plumpsten Vorurteile gegenüber den Griechen breittreten, aber sich darüber beschweren, dass die Bild im Briefkasten liegt? Weil man mit der ja sowas von überhaupt nichts zu tun hat? Mir scheint, die selbstbewussten Witzeerzähler dieses Landes haben ein erschreckend verschobenes Selbstbild. Vielleicht sind sie auch nur sehr opportunistisch. Es ist schon beinah zu absurd, um lustig zu sein, wenn griechische Nationalclichés mit ein bisschen höhöhö als Sahne obendrauf präsentiert werden, aber sich andererseits über den sogenannten Partypatriotismus beschwert wird.

Schade eigentlich, in dem Land zu leben, dass den schönsten Fußball der EM spielt. Die hemmungslose Begeisterung der anderen macht mich immer ein wenig zurückschrecken; wenn Leute, die vor dem Fernseher aufstehen, sobald die Nationalhymne gespielt wird, alles super finden, kann irgendwas nicht stimmen.