Fußball ist, Frauenfußball-WM hin oder her, Männerthema, und das Reden darüber auch. Es gibt wenige Frauen bei den Sportreportern, unter den Moderatoren, und am allerwenigsten unter den Kommentatoren. Früher wurden ernste Nachrichten, große Katastrophen in den Nachrichten immer nur von Männerstimmen gesprochen: man nahm an, das hätte eine beruhigende Wirkung auf die Bevölkerung. Eine solche Katastrophe ist der Fußball immer.

Es hätte also Gründe gegeben, sich pro Quote anzuschließen, dieser Initiative von Journalistinnen, die in den Führungsetagen der Medien 30 Prozent Frauenanteil fordern. Aber es hat sich niemand angeschlossen, wenn ich das richtig überblicke. Kathrin Müller-Hohenstein ist nicht dabei. Jessica Kastrop auch nicht. Anett Sattler auch nicht, Sabine Töpperwien fehlt, Martina Knief auch.

Das ist bedauernswert. Ich hätte da gern ein Gesicht der Fußballberichterstattung gesehen. Ich bin für die Quote, aber aus den falschen Gründen. Das heißt, natürlich aus dem einzig richtigen Grund. Einem Grund, der nichtig ist, vernachlässigenswert, keinerlei Bedeutung hat, und wenn doch, dann nur für die allernächste Zukunft.

Ich mach das mal ein bisschen breiter als nur den Medienbetrieb. Tatsächlich wäre ich immer gegen die Quote, wenn ich eine Karriere anstreben würde, bereits angestrebt hätte oder Verwandte hätte, die mir einen Platz freihalten auf irgendeinem Beiratssessel. Wenn ich Nutznießer der Erbmonarchie gewesen wäre, die in vielen Führungszirkeln nach wie vor die Regel ist. Da wird nicht nach Eignung eingestellt, sondern nach Neigung.

Ich wäre gegen die Quote, weil sie mir im Weg stünde, weil die Möglichkeit da wäre, dass statt meiner eine Frau einen Posten bekommt, den ohne Quote vielleicht ich bekommen hätte, weil ich im Lions Club den alten Aufsichtsratvorsitzenden immer beim Billard gewinnen lasse. Das ist ein legitimer Grund, gegen die Quote zu sein, allein: mir fehlen Wille, Begabung und die Gnade der hohen Geburt, in umgekehrter Reihenfolge, eigentlich fehlt mir alles, was für eine Karriere notwendig ist.

So (vielleicht auch: deswegen) nerven mich diese Männerzirkel, dieses gegenseitige Eierschaukeln, diese Freundeskreise, die immer so wirken, als hätten sie schon in ihrem allerersten Ferienlager gemeinsam auf einen Keks gewichst, und Meyer-Vorfelder hätte ihn gegessen.

Ich bin mir sicher, dass es keine biologischen Unterschiede gibt zwischen Männer und Frauen, die charakterrelevant sind. Ich glaube, Charakter und Sozialverhalten sind, surprise, sozial antrainiert. Ich glaube, Frauen in ähnlichen Situationen verhalten sich, sobald sie nicht mehr als Frauen wahrgenommen werden und damit nicht mehr die symbolische Vertretung für ihr Geschlecht übernehmen müssen, nicht signifikant anders als Männer. Das Vetternwirtschaft nicht Basenwirtschaft heißt, liegt nicht daran, dass Vetternwirtschaft etwas typisch männliches ist: es liegt daran, dass diese Form der Vorteilsnahme in bestimmten Machtverhältnissen immer passiert. Und an den Hebeln der Macht saßen bisher Männer. Das Argument, Konzerne würden besser geleitet, wenn Frauen mit in der Führungsetage säßen, überzeugt mich nicht: die hatten historisch noch nicht die Zeit, ihre Seilschaften auszubauen. Wenn ich glaube, dass sie das genausogut können wie Männer, macht mich das dann schon zum Feministen?

Weil das Argument, Frauen seien die besseren Führungskräfte, schwach ist, werden immer hehre Ziele herbeigeredet, sobald es um die Quote geht. Denn da geht es um die Gleichberechtigung, um Feminismus, um Aufklärung. Es geht, so muss man das sagen, um die Aufgeklärtheit der westlichen Gesellschaft. Sabine Christiansen macht dieses theoretische Fass auf: „Unsere Gesellschaft, auch die Medien, sollte Frauen und Männern die gleichen Verwirklichungs- und Teilhabechancen nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch einräumen.“

Und das ist in der Tat ein Argument, dass falsch genug ist, mich an meiner ohnehin kaum vorhandenen Sympathie für die Quote zweifeln zu lassen.

Tatsächlich ist es doch so: der Feminismus, der jetzt praktisch den Kampf der Geschlechter angeht, ihn institutionalisiert und lobbyisiert, kommt theoretisch aus dem Marxismus. Der Marxismus mit seinem Klassenkampf setzt auf die Emanzipation aller Menschen, und zwar unabhängig ihrer sozialen oder geografischen Herkunft: er strebt das Ende der Klassen an. Die beste Beschreibung des Kommunismus, die ich je gehört habe, geht so: Kommunismus ist, wenn alle gleich sauer sind. Aus dieser tatsächlich revolutionären, umstürzlerischen Idee versuchten Aktivistinnen und Aktivisten Gewinn zu ziehen, indem sie ihn auf einzelne Felder übertrugen, den Geschlechterkampf zum Beispiel. Irgendwann wurde der Geschlechterkampf zum Selbstläufer, das marxistische Erbe spielte keine Rolle mehr. Indem sie die Klassenproblematik außen vor ließen, amputierten sie die theoretischen Grundlage, auf die sie sich beriefen: von der emanzipatorisch-revolutionären Geste blieb nichts übrig.

Heute sind es Frauen der Mittel- und Oberklasse, die das Recht auf einen Platz weiter oben einfordern. Es ist symptomatisch, dass sicher alle Unterzeichnerinnen dafür wären, eine Quote für alle Bereiche des öffentlichen Lebens zu fordern; aber erstmal bei sich anfangen wollen.

Eine Klasse, die mich – ich sagte oben, warum – nicht interessiert. Gleichzeitig ist dieses Vorpreschen – anders als der Protest gegen den Abtreibungsparagraphen – nicht emanzipatorisch, er ist nicht solidarisch. Wir wissen ja nun alle, dass unten an der Einkommensleiter ein Einkommen häufig nicht mehr ausreicht, dass also die Frau auf jeden Fall arbeiten gehen muss. Dort gibt es kein Recht auf Karriere, es gibt nur die Pflicht zur Arbeit. Da ist Arbeit auch weiß Gott keine Selbstverwirklichung, sondern Boterwerb, notwendiges Übel, denn wenn kein Job, dann kein Brot am Monatsende; wer aber wird die Kinder betreuen der Frauen, die jetzt im sichtbaren, das heißt: ausgestellten Arbeitsleben mehr Präsenz zeigen? Wer wird die Wohnung putzen, wer wird sich um den Garten kümmern, um die todkranken Eltern, wer all die Dinge erledigen, die sie bisher erledigt haben – die sie (zurecht) angekotzt haben, angewidert, denen sie entfliehen wollten? Eine Reorganisation der Aufgaben findet nicht statt, ist auch gar nicht geplant gewesen, es war nur eine Verschiebung geplant: für diese Aufgaben finden sich Arbeitskräfte, Kinderbetreuung, Pflege, Haushalt, und der Witz an der Sache ist: das sind meistens – Frauen. Frauen, die sich es dann nicht leisten können, ebenfalls eine Hilfe einzustellen, weil diese Hilfe brutto mehr verdient als sie netto. Und das heißt, die sind dann doppelt belastet: mit der Arbeit, die ihr Leben bereits macht und die nicht entlohnt wird, und der Lohnarbeit, mit der sie dieses Leben finanzieren.

Das heißt: Emanzipation und Restauration, Revolution und Gegenrevolution sind synchron. Überspitzt gesagt: Für eine Frau, die sich emanzipiert, gibt es eine Frau, die ihren Platz wieder einnimmt. Dass Solidarität mit Selbstverwirklichung im gleichen Feld einhergeht, gibt es nicht: sonst wäre sie ja sinnlos.

Bascha Mika hat völlig Recht: Macht hat, wer die Sicht auf die Welt bestimmt. Es ist aber keine feministische Perspektive, die bei Pro Quote durchschlägt, sondern eine Perspektive der Mittelschicht. Es kommt einem seltsam vertraut vor, dieser Wahlspruch: Es muss allen besser gehen, fangen wir doch bei mir an. Fortschritt durch Selbstimprovement, das ist Hollywood-Moral. Bascha Mika hat Recht, Julia Lemmle aber auch, wenn sie sagt: „Man muss sich schon klarmachen: So lange die weißen Mittelschichtsfrauen ihr Stück vom Kuchen kriegen, werden die sich nicht solidarisieren mit denen, die nach wie vor ausgebeutet werden.“

Das aber ist keine Geschlechterfrage, und die Geschlechterfrage bringt hier auch keine Lösung. So ist Pro Quote ein Zusammenschluß vieler Frauen, die sich gegenseitig fördern, Basenwirtschaft also; mehr nicht.

Es mag ein utilitaristischer Grund sein, auch eine Hollywood-Moral („Hauptsache Umbruch! Bewegung ist gut!“), mehr bleibt am Ende nicht übrig: ich bedaure, dass die Fernsehfrauen des Fußballs nicht teilgenommen haben. Jeder Anlass, da die liegende Phalanx der alten Männer aufzubrechen, wäre ein guter. Egal wie.