Weiß Gott, man kann nicht sagen, dass er ein genialer Fußballspieler ist. Oder gar war. Ein laufstarker Mittelfeldspieler, sehr fleißig, mit einem bemerkenswerten Talent für Standards und Flanken. Typ Christian Pander. Begabt, ja, aber mehr nicht. Gehobener Durchschnitt. David Beckham.

Und trotzdem ist David Beckham eine der wichtigsten, vielleicht die wichtigste Figur im Fußball unserer Zeit. Popballer nennt man sie in England, sie sind eine Chimäre aus Popstar und Fußballer, deren Haare schnittiger sind als ihre Flanken. Und Beckham ist ihr König, die ‚Lady Di des Fußballs‘ (Harald Irnberger). Es heißt, David Beckham sei bis vor kurzem die „männliche Person in Großbritannien, die den größten Einfluß auf die Zielgruppe der 5- bis 60jährigen hat“ gewesen (Andrew Parker). Fantastisch, dieser Bedeutungswandel: „Der is ne Marke“, das hieß früher, der hat seinen eigenen Schädel und ist deswegen unterhaltsam. Heute heißt es: Der hat keinen eigenen Schädel und ist deswegen unterhaltsam.

Man hat häufiger versucht, Beckham als reines Medienprodukt darzustellen, als Fantasie einiger PR-Leute, Sportartikelhersteller und Boulevard-Formaten. Sie haben sicherlich das ihrige getan, um die Superheldenfigur David Beckham zu erschaffen. Aber sie haben es auch mit anderen Spielern versucht: sie passten nur weniger gut in unsere Zeit, der introvertierte, stille Zidane, der melancholische Figo, der raue, ein wenig vorwitzige Giggs. Höchstens Ronaldo konnte ihm da Konkurrenz machen, den mit Beckham nicht nur sein eher durchschnittliches fußballerisches Talent vereint, sondern auch sein mangaeskes Aussehen.

In anderen Zeiten sind andere Spielertypen zu Idolen aufgestiegen: die rauen 90er der Post-Thatcher-Ära brachten den selbstbewussten, proletarisch-aufmüpfigen Eric Cantona hervor; im Deutschland der 50er war es der zurückhaltende, autoritätshörige und sehr gewitzte Fritz Walter. Oder George Best, die vollendete Antithese zu Beckham:

„Ein George Best war ein typisches Produkt eines Zeitabschnittes, da ein großer Teil der jungen Leute rebellisch und genial sein wollte – was einerseits die Einbindung in ein Kollektiv, und andererseits individuelle Selbstverwirklichung auf die Tagesordnung setzte. Der Fußball ist in seiner bestmöglichen Form eine ideale Symbiose dieser beiden scheinbar widersprüchlichen Tendenzen. David Beckham hingegen verkörpert auf vollkommene Weise eine junge Generation, die einfach nur reich und berühmt sein will und die zur Erreichung dieser Ziele bereit ist, sich bis zur völligen Identitätsaufgabe den herrschenden Verhältnissen anzupassen – die unangefochtener als jemals zuvor von den auf ökonomischer Ebene Herrschenden geprägt werden“ (Harald Irnberger, die Mannschaft ohne Eigenschaften).

Jetzt soll David Beckham zu Paris St. Germain wechseln – vielleicht. Platini sieht das schon ganz richtig, wenn er sagt, es sei ganz gut für die Geschäfte dort, schließlich gehe Beckham gerne shoppen. „Wenn er kommen sollte, dann wohl wegen etwas anderem als Fußball.“

Es ist natürlich auch ganz gut für die Geschäfte des PSG, für die Auslandsfernsehrechte, für den Trikotverkauf. Beckham wird nicht als Spieler geholt, sondern als Fassade. Für jeden anderen wäre das ein unwürdiger Abschied, aber bei Beckham, da ist er folgerichtig.