Wir haben diesen Spieltag drei Fälle von diskutablem passiven Abseits gesehen, in Bremen, in Mainz, in Köln: drei Mal fragte man sich, wo die Schiedsrichter ihren Zivi zwischengeparkt haben.

In der Regel heißt es, ein Spieler werde dann für seine Abseitsstellung bestraft, wenn er nach Ansicht des Schiedsrichters „ins Spiel eingreift, einen Gegner beeinflusst oder aus seiner Position einen Vorteil zieht“. Spoezifischer wirds nicht mehr, die Regel ist so weich wie der EU-Stabilitätspakt. Im Zweifel bleibt nur: nach Ansicht des Schiedsrichters.

Oder vielmehr: nach Ansicht. Auch nach dutzendfacher Wiederholung der Szenen ließ sich in einem von mir eigens zusammengestellten Schiedsgericht keine eindeutige Kärung herbeiführen. Jeder hatte eine andere Meinung (wobei die einzig richtige natürlich ist: Lewandowski und Choupo-Mouting im Abseits, Ya Konan nicht). Und jede dieser Meinungen war unbegründbar, völlig willkürlich und auf Hans-Peter Friedrichsche Art argumentlos. Jeder folgte dem ersten Augenschein, und die vielen, vielen Wiederholungen machten die Sache nicht besser: im Gegenteil, wie im Wahn steigerte sich jeder in seine Interpretation hinein, und am Ende klangen alle wie Reich-Ranicki. Einige versuchten sich auf die autoritäre Art herauszureden: Es sei unerheblich, was man davon denke, sobald der Schiedsrichter pfeife, sei es eben Abseits. Genau diese Einstellung, dieser blinde Glaube an eine ungerechte unnachvollziehbare, willkürliche Entschiedungsgewalt, schrien andere, sei die Wurzel allen Übels in Deutschland! Wer so spreche, sei auch unter den NAzis ein guter Bürger gewesen. Alsdann kam bald zu philosophischen Disputen: Wenn etwas wie Homer Simpson aussieht, ist es dann auch Homer Simpson? Und was sieht schon aus wie Homer Simpson, wie identifiziert man Homer Simpson? Kurzum, die Realität kam ins Wanken, und nur die vorgerückte Uhrzeit verhinderte, dass gemeinsam ein absurdes Theaterstück aufgeschrieben wurde.

Das passive Abseits ist kaum richtig erklärbar und vor allem im Geschehen nicht zu entscheiden. Diese Regel ist das Knie im Arsch des Spiels. Sie muss allein deswegen schon abgeschafft werden, und nach allen Regeln der Grammatik reformiert: Entscheidend ist nicht, ob der Torwart und die Abwehr irritiert wird. Aus passiv wird nur dann aktiv, wenn der Spieler willentlich ins Geschehen eingreift oder es mindestens versucht. Das gilt in diesem Beispiel nur für Lewandowski, der sich zum Ball hindreht. Das kann man immerhin besser beurteilen als eine Exegese des Torwart-Blickfelds.

Und: Bei Notbremse rote Karte plus Elfmeter geht gar nicht. Da immerhin sind sich fast alle einig.