Was in Brasilien jogo bonito heißt, wie man immer behauptet, dabei behauptet das vor allem Nike, und weiß Gott, die sorgen nicht dafür, dass das Spiel schöner wird, ganz im Gegenteil; das heißt in Uruguay wahrscheinlich zacapum; immer hübsch draufhalten, egal ob des Gegners Bein oder Ball in Reichweite sind. Jetzt, da Holland zur Kontermannschaft umfunktioniert wurde und stattdessen Deutschland wie von Klee gezeichnete Spielzüge zelebriert, jetzt da sich viele Mannschaften nicht mehr den Traditionen ihrer Vorgänger verpflichtet fühlen, hört ein kleines LAnd nicht auf, den Neuerungen Widerstand zu leisten: Uruguay ist seit ich denken kann eine Mannschaft von Tretern, Hauern und Stechern. Vielleicht haben sie sich dieses Jahr vorgenommen, ein wenig mehr fürs Auge zu bieten, und ihre Trikots bei 90° gewaschen. Nun bin ich recht gut im Bilde über die anatomischen Eigenheiten uruguayischer Profifußballer-Oberkörper. Im Grunde genommen spielt Uruguay in Miniröcken.

Die Taktik Uruguays war wohl einer eher unrühmlichen Schaffensphase Harald Schmidts entlehnt: so wie der eine Zeit stets nur dasaß und wartete, dass Pocher irgendwas idiotisches macht oder sagt, das ihn im Vergleich hervorragend aussehen lässt, so wartete auch Uruguay. Costa Rica tat ihnen recht schnell den Gefallen und ging mit Unnötigkeiten in Serie: der Freistoß war unnötig, der Stellungsfehler war unnötig, das Foul im Strafraum war unnötig, und ich saß vor dem Fernseher wie ich vor dem Radio sitze, wenn Unheilig läuft, fassungsloses Kopfschütteln und immer wieder die Frage auf den Lippen: Warum das denn nun?

Man hatte viele Gelegenheiten, sich zu wundern; technisch war das Spiel voller Unzulänglichkeiten, wie von GM hergestellt. Sympathischerweise ließ sich Costa Rica davon kein bisschen beeindrucken und versuchte weiterhin, Hübsches zusammenzudrechseln, wahnwitzigerweise mit Erfolg: ein Hackentrick, eine Flanke, viel Platz im Zentrum und dort dann Campbell, der die Faxen dicke hatte, schon stands einseins. Und kaum war ich fertig damit, mir die Augen zu reiben, fand ein Freistoß die sehr tieffliegende Stirn von Duarte; Uruguay hat bei Standards hinten ein Abwehrverhalten wie im Bällebad, trotzdem hacken sie dem Gegner auch in Strafraumnähe regelmäßig die Füße ab. Vorne stand Cavani und ernährte sich von Wildhonig und Heuschrecken.

Um ihn herum die Phalanx der Costaricaner, die ihre Konter recht oft mit Schüssen aus 300 Metern abschlossen; ein Pech für sie, dass der diesjährige Ball stabil im Flugverhalten ist, mit den Flatterbällen der letzten WMs hätte Muslera bestimmt einiges mehr an Gymnastikübungen vollführen müssen. So blieben ihm überraschende Wendungen erspart, und den Costaricanern hingegen einige Meter: ich war überrascht, dass sie in der 80sten im Durchschnitt nur 8,7 km gelaufen sind; das sind gut 2 km weniger als man erwarten dürfte. Die Hitze reißt Räume auf, besser als jedes Gegenpressing. Da ist immer viel Raum für viele schöne kleine Dinge; am Ende ist es wohl genau dieses Klima, das diese WM zur bisher besten, spektakulärsten und interessantesten meiner Zuschauerkarriere gehört.

Tapferes Costa Rica! Oh, die will ich dringend gegen Italien sehen.